Mittwoch, 10. Oktober 2012

Nur diesmal

Heyho Leute, na, wie isses?
Heute mach ich mal etwas neues, und zwar werde ich eine Geschichte hier im Blog hochladen. Warum? Weil sie einfach völlig anders ist als alles, was ich bisher geschrieben habe, und ich mir noch nicht sicher bin, ob ich sie wirklich auf FanFiktion.de hochladen sollte. Wenn es jemand lesen mag, freue ich mich natürlich.

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Laute Schreie. Schüsse, die durch die Nacht hallten. Die raue Stimme eines Mannes, der Anweisungen brüllte. Hastige Schritte. Das Krachen von Ästen, die einfach niedergetrampelt wurden. Ein merkwürdiges Gefühl, fast so, als würde der Boden vibrieren. Der salzige Geschmack von Schweiß auf den Lippen. Die beängstigende Gewissheit, dass man sie entdeckt hatte. Ein Herz, das wild gegen die Rippen des jungen Mannes hämmerte. Feuchte Erde im Gesicht, an den Händen. Das Warten auf ein Signal, die Angst, dass es nicht kommen würde. Freude und Hoffnung, als es endlich so weit war. Dann, ganz plötzlich, ein kurzer, aber heftiger Schmerz am Hinterkopf. Und nun, zu guter Letzt...
Nichts.
Vorsichtig öffnete er die Augen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich an das dämmrige, aber dennoch nicht düstere Licht gewöhnt hatten. Er lag auf einer glatte Oberfläche, aber er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob sie sich nun warm oder kalt anfühlte. Ein wenig hilflos rappelte er sich auf. Ein Kribbeln schien währenddessen über ihn zu laufen, doch es war nicht unangenehm. Plötzlich fühlte er sich so leicht, so befreit.
Moment... Er? Sein Blick glitt an seinem nicht mehr vorhandenen Körper herab. Ihm entfloh ein erschrockener Aufschrei, der sich hier jedoch unnatürlich laut anhörte. Nein, da war wirklich nichts mehr. Keine Arme, keine Beine, kein Rumpf, alles war verschwunden. Es war kein Spiegel nötig, um zu wissen, das auch sein Kopf nicht mehr existierte. Er hatte Recht behalten. Nicht mehr er. "Es".
Der Ort, an dem es sich befand, war ihm keinesfalls fremd. Im Gegenteil, es war schon so oft hier gewesen, dass es irgendwann aufgehört hatte, zu zählen. Allerdings mochte es diesen Platz nicht besonders. Denn außer der glatten Oberfläche, auf der es eben erwacht war, gab es hier rein garnichts. Keine Steine, keine Pflanzen, keine Lebewesen, nicht einmal Wände, die dies hier vielleicht zu einem Raum gemacht hätten.
Früher hatte es noch versucht, zurückzugehen, zurück auf die Erde. War ziellos, hoffnungslos, körperlos durch diese leere Welt gestreift, hatte nach einem Ausgang gesucht oder wenigstens nach etwas Gesellschaft. Aber es gab keine, nie. Der Tod war einsam und niemand hatte das Recht, sich über diese Regel, die selbst die meisten Lebendigen erahnten, hinwegzusetzen. Es war nun schon zum dritten Mal in wenigen Dekaden gestorben, das eine Mal als junge Frau, ein weiteres Mal als kleiner Junge und nun als ein Mann.
Auf der Erde herrschte Krieg, seit vielen Jahren. Schon lange bekämpften sich die Menschen, töteten einander, vernichteten langsam, aber sicher ihre eigene Art. Es gab nicht mehr so viele wie vielleicht vor hundert oder zweihundert Jahren. Möglicherweise war das gut so. Je weniger sie wurden, desto weniger Schaden konnten sie einander zufügen. Diejenigen, die dieses endlose Massaker überleben würden, konnten neu beginnen. Jetzt, wo es tot war, war ihm bewusst, dass es keinen Sieger geben würde. Nur Verlierer. Nur Menschen, die mit dem Bewusstsein und der Verantwortung leben mussten, dass ihre Art zu so viel Grausamkeit fähig war.
Es erinnerte sich an viele Leben, die ihm das immer wieder gezeigt hatten. Auch wenn es nicht mehr alles wusste. Aber es wusste viele Dinge, die den Menschen auf der Erde verborgen blieben.

Es wusste, dass der Charakter jeder Person von allen ihren Leben und Erfahrungen geprägt war.
Es wusste, dass man als Kind mehr sah und aufmerksamer war, weil irgendwo im Hinterkopf noch die Erinnerungen an "damals" existierten, zumindest für ein paar Jahre.
Es wusste, dass man nach dem Tod keinen der Menschen wiedersah, die man einst gekannt und geliebt hatte. Jeder starb für sich alleine, diese Erfahrung hatte es oft genug machen müssen.
Es wusste, dass es so etwas wie Schicksal oder Bestimmung nicht gab, dass jeder sein Leben in der Hand hatte.
Und vor allem wusste es, dass nicht der Tod, sondern das Leben vergessen bedeutete.
Schon bald, genau dann, wenn es wieder zurückkehren würde, hätte es keine Erinnerung mehr an diesen Ort, an "damals". So war es immer, für jeden Menschen. Wie könnte man auch glücklich sein, wenn man sich selbst im neuen Leben noch für die Untaten im früheren Vorwürfe machte? Oder wie sollte man sonst objektiv neue Erfahrungen sammeln, neue Perspektiven entdecken? Jedes Leben war eine neue Chance, aber das hatte eben einen Preis.
Schon lange wusste es nicht mehr, ob es zuerst gestorben oder zuerst geboren war. Irgendwann einmal hatte es sich noch daran erinnern können, aber so sehr es sich auch bemüht hatte, das Wissen war für es in Vergessenheit geraten. Es konnte nur mutmaßen, woran das lag. Vielleicht, weil ein Kreis keinen Anfang haben konnte, keinen Anfang haben durfte. Auch nicht der Kreis, der Leben und Tod vereinte.
Aber schon seit einigen Jahren war es nicht mehr neugierig. Nach einer Weile verlor man das Interesse daran, solchen Fragen auf den Grund zu gehen. Verändert hätte es ja doch nichts, wozu also groß über irgendwelchen Unsinn nachdenken? Manchmal war es ein ganz netter Zeitvertreib, nach einigen Jahrzehnten an diesem Ort halfen Rätsel ein wenig dabei, sich die Langeweile zu vertreiben.
Es gab schließlich niemanden, mit dem es hier hätte sprechen können. Einsamkeit war nichts schönes und sie konnte einen schier in den Wahnsinn treiben. Niemand hatte einen Einfluss darauf, wann man auf die Erde zurückkehren konnte. Manchmal, aber nur selten, dauerte es bloß Sekunden, bis man wieder dort ankam, meistens waren es einige Jahre, oft Jahrzehnte und einmal hatte es sogar tausend Jahre gedauert, bis es wieder das Licht der Welt erblicken dufte. Auch darauf hatte es keinen Einfluss.
Ein paar Mal war es schon als Mensch geboren worden, in letzter Zeit sogar sehr häufig. Aber auch schon als Tier. Es war die Schlange gewesen, die damals Cleopatra getötet hatte und einst hatte es einen Namen getragen, den die Menschen auch heute noch mit Respekt und Ehrfurcht aussprachen. Aber was spielte das hier schon für eine Rolle, letztendlich waren sie doch alle gleich. Jeder starb irgendwann.
Verträumt blickte es sich um, dachte an das letzte Leben zurück, das vor wenigen Minuten oder Stunden erst so unsanft beendet worden war. So genau wusste man das hier nie, die Zeit verlief anders. Es war ein Soldat gewesen, ein Mann, der seit seiner frühesten Kindheit dafür ausgebildet worden war. Bevor es gestorben war, hatte es noch versucht, einen entscheidenen Schritt zu tun, der seinem Vaterland vielleicht den Sieg gebracht hätte. Hier und jetzt war es ihm aber gleichgültig, ob seine Kameraden es geschafft hatten oder nicht. Schließlich war nicht einmal der Tod wirklich schlimm, weshalb sollte es sich Sorgen machen?
Nur die Einsamkeit, die danach herrschte, die war schlimm. Aber man gewöhnte sich daran, wenn man sie ein paar Mal erlebt hatte. Und selbst wenn nicht, irgendwann konnte man ihr entfliehen. Für einige Zeit.
Auf einmal schien der Boden zu beben, die Luft zitterte. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Vorfreude machte es sich bereit für das, was nun folgen würde. Das Gleiche wie immer. Vorfreude, weil es gleich von diesem schrecklichen Ort, der nur durch seine Leere so beängstigend und abstoßend war, verschwinden würde. Entsetzen, weil es wusste, auf welche Weise es geschehen würde.
Das Blut schien aus dem leeren Raum förmlich herauszusprudeln. Die Flüssigkeit umschmiegte es, setzte sich an ihm fest, legte sich um die bisher körperlose Gestalt und ließ sie zu einem Wesen werden, wie es auf der Erde leben können würde. Aber gleichzeitig wusch sie die Erinnerungen fort, spülte sie aus seinem Kopf und ließ sie Teil des leeren Raumes werden. Hier würden sie warten, auf seinen den nächsten Tod. Bevor es spürte, dass seine Geburt kurz bevor stand, dass das Blut seine Rückkehr bedeutete, stellte es sich noch zwei letzte Fragen:
Wann würde es aufhören? Und was würde dann sein?
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Wie gesagt, nur eine Kleinigkeit. Das wars auch schon, bis denn!

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