Hallo, meine Lieben,
ich bin mir sicher, dass jeder schon mal eine schlechte Arbeit geschrieben hat, wirklich jeder. Aber die Krönung des Ganzen hat unsere Klasse geliefert. Ich fang mal von vorne an.
An diesem Morgen kroch ich auf allen Vieren aus dem Bett, schlurfte ins Badezimmer, versuchte, das Vogelnest auf meinem Kopf in den Griff zu bekommen, schrubbte meine Zähne sauber, schlurfte zurück in mein Zimmer, zog mich an, schnauzte mein Handy an, pfefferte es aufs Bett und machte mich voller Motivation auf den Weg zum Bus.
Das Grauen erwischte uns an diesem lauen Frühlingsmorgen. Die Vögelchen zwitscherten, einige Schüler bimsten sich noch eifrig den Lernstoff ein, andere saßen völlig entspannt auf dem Flur, lachten und unterhielten sich. Ein völlig normaler Morgen also. Schließlich kam der Physiklehrer und schloss die Tür zum Raum auf, woraufhin bald Schluss mit lustig war. Wir gingen nach drinnen und setzten uns hin. Und dann holte er sie aus den Tiefen seiner Tasche: Die gefürchtete Physikarbeit. Noch bewahrten die meisten Schüler die Ruhe. Dann holte er noch die Pultteiler. Die ersten begannen, nervös auf ihren Stühlen herumzurutschen.
Das Papier raschelte leise, als die Arbeit ausgeteilt wurde. Ich sah, wie einige Schüler einen ersten Blick auf die Arbeit warfen und sich dann mit einem Blick, der entweder entsetzt oder schon leicht debil war, nach den anderen umsahen. In diesem Moment wusste ich: Okay, das wird hart. Ich schnappte mir meine übliche Ausstattung für Klassenarbeiten - ein Geodreieck, einen Anspitzer, einen Bleistift, einen Radiergummi und einen Kugelschreiber - und bereitete mich auf das Unausweichliche vor. Ein leises, panisches Fiepen entwich mir, als er die Arbeit vor mich legte. Ich tauschte einen letzten Blick mit Willowfield. Dann drehte ich das Blatt um.
Der Stift fühlte sich auf einmal ganz schwitzig an. Ich schluckte kräftig. Mein Puls stieg rasend schnell an, meine Muskeln verspannten sich leicht. Meine Instinkte schrien mir zu, dass ich fliehen sollte, aber ich blieb wacker auf meinem Platz sitzen und versuchte, mein Gehirn in den Griff zu kriegen. Okay, dann mal los. In welchem Paralleluniversum hatten wir das auch noch gleich durchgenommen? Egal, ich musste mich konzentrieren. Ein paar tiefe Atemzüge später war ich so weit, dass ich mit der zweiten Aufgabe anfangen konnte, die erste verstand ich von vornerein nicht. Aber die zweite, die sah logisch aus, das konnte ich. Irgendwas mit Erdumlaufbahn und Entfernung. Das war machbar. Ich verschwendete nur zehn Minuten damit, irgendetwas halbwegs sinnloses hinzukritzeln. Nächste Aufgabe. Als die Zeit fast um war, sammelte ich meine Blätter zusammen und gab ab. Es war sinnlos. Ich hatte maximal drei oder vier Teilaufgaben (von insgesamt acht kompletten Aufgaben) geschafft und war mir nicht einmal sicher, ob ich es auch nur ansatzweise richtig hatte. Dann verließ ich den Klassenraum.
Die nächste Physikstunde kam schneller, als uns lieb war. Wir saßen angespannt auf unseren Plätzen. Keiner rührte sich, als der Lehrer begann, irgendetwas zu erklären. Schließlich wagte ein Held, die Hand zu heben und zu fragen, wann wir denn die Arbeiten wiederbekommen würden. Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen lassen können und es hätte sich angehört, als habe jemand geschossen. Dann ein erleichtertes Raunen, als der Lehrer verkündete, er sei noch nicht fertig. Zum ersten Mal. Normalerweise wollen wir unsere Arbeiten so schnell wie möglich wiederhaben. Aber dieses Mal war anders. Auch wenn man uns eigentlich nichts vorwerfen konnte, immerhin hatten wir es probiert. Ehehe.
Beim nächsten Mal jedoch blieben wir nicht verschont. Wir sahen auf den ersten Blick, dass der Papierstapel, den er da (nicht) auf den Tisch knallte, nur eines sein konnte: Unsere Arbeiten. Der Geruch von Angstschweiß hing in der Luft, als er nach einem Stück Kreide griff und eine Tabelle an die Tafel malte und zu sprechen begann. Kaum einer hörte richtig zu, alle Augen waren auf die (nicht anwesenden) unscheinbaren Blätter geheftet, die nur eines bedeuten konnten: Unser Verhängnis. (Nein, er hatte die Arbeit nicht dabei, nur unsere Noten.) Erst, als er begann, den Notenspiegel anzuschreiben, richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf ihn.
Es geschah genau das, was wir erwartet hatten. Das, womit wir gerechnet hatten, seit der letzte seine Arbeit abgegeben hatte. Wir sind insgesamt fünfundzwanzig Leute in unserer Klasse. Es gab sieben Sechsen, sechs Fünfen und genug Vieren, um den Durchschnitt noch ein bisschen runterzuziehen. Dieser lag insgesamt bei 4,6. Wunderbar, nicht? Und das, obwohl die Arbeit zwei Mal (!) geliftet wurde. Ich hatte übrigens eine knappe Fünf, auf die ich immer noch sehr stolz bin. Ganz ehrlich, ich hätte mir keine mehr gegeben. Und die Arbeit? Die schreiben wir noch einmal.
<sarcasm> Schlimm, nicht wahr? </sarcasm>
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