Mittwoch, 30. Oktober 2013

Die Drachenschenke V

"Okay. Gut. Ich weiß, dass ihr - vor allem Lizzy - sauer auf mich seid, aber das löst das Problem nicht!", jammert Johanna theatralisch. Das Einzige, was sie damit erreicht, ist, dass ihr nun auch Jack einen ziemlich angefressenen Blick zuwirft. "Wie zur Hölle kommst du darauf, dass ich nicht sauer bin? Nur, weil ich mich besser beherrschen kann, bin ich nicht gleich begeistert." Die Autorin seufzt übertrieben, greift nach ihrem Glas und leert es in einem Zug. Ginger Ale, pff. Vielleicht hätte sie doch lieber etwas alkoholhaltiges bestellen sollen, anders sind ihre beiden Lieblinge ja kaum zu ertragen. Gut, aber wenn sie genauer darüber nachdenkt, schadet es ganz sicher nicht, einen klaren Kopf zu behalten. Wer weiß, auf was für lustige Ideen die zwei sonst kommen.

"Gut. Wenn ihr alles besser wisst, wieso schreibt ihr eure blöde Geschichte dann nicht selber?", knurrt sie. Elisabeth steht auf, stemmt die Hände in die Hüfte und holt tief Luft. "Jetzt hör mir mal bitte zwei Minuten lang aufmerksam zu, ja? Wir sind keine Autoren, wir sind deine Charaktere. Entweder du schreibst eine vernünftige Geschichte, dann beklagen wir uns auch nicht, oder du lässt das Schreiben sein und konzentrierst dich mehr auf die Schule. Aber von deinen dummen Einfällen und deinen lahmen Entschuldigungen habe ich die Schnauze voll!" Ohne eine Antwort abzuwarten, pfeffert sie ein paar Münzen auf den Tisch, dreht sich um und stolziert davon. An der Tür stößt sie beinahe mit einem Jugendlichen zusammen, der sofort Platz macht, sich murmelnd entschuldigt und dann hinein geht.

Er blickt sich suchend um, dann hellt sich seine Miene auf einmal auf. Sein Blick ruht auf Johanna und Jack, die einander schweigend anstarren. Ohne Eile schlendert er zu den beiden herüber, setzt sich auf den soeben frei gewordenen Stuhl und lächelt ein wenig schüchtern. "Oh je, so sauer habe ich Elisabeth ja noch nie erlebt. Was hast du mit ihr gemacht?" Die Frage ist eindeutig an Johanna gerichtet, deren Laune sich dadurch nicht gerade bessert. "Oh, natürlich, gebt der Autorin die Schuld, ihr anderen könnt ja gar keine Fehler machen", grummelt sie. Der Neuankömmling wirft ihr einen erschrockenen Blick zu und setzt zu einer Entschuldigung an, aber Jack winkt bloß ab. "Lass sie am Besten in Ruhe, Mica, sie hat wahrscheinlich ihre Tage oder so. Und bevor du ein schlechtes Gewissen bekommst: Sie ist schuld", erklärte er mit der Gelassenheit eines Mannes, der schon einige Gläser Scotch geleert hat.

"Habt ihr euch alle gegen mich verschworen?", murmelt Johanna und lässt den Kop auf die Tischplatte fallen. Jack zuckt nicht einmal mit der Wimper, er ist das schon gewohnt, aber Mica verzieht bei ihrem ziemlich schmerzhaft klingenden Aufprall das Gesicht. "Ich bin übrigens fertig mit der Planung", nuschelt sie dann, setzt sich wieder vernünftig hin und reibt sich die Augen. Jack grinst bloß. "Das glaubst du ja wohl selber nicht." "Doch, stell dir vor, ich habe es auch mal geschafft. Na ja. Fertig im Sinne von 'Ich habe alles, was ich brauche, und der Rest ergibt sich schon irgendwie'", gesteht sie.

"Wusste ich's doch", murmelt Jack selbstzufrieden. Dann wendet er sich an Mica. "Möchtest du was trinken?" Mica schüttelt hastig den Kopf. "Nein, danke, ich brauche nichts", lehnt er ab.

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